Spottlight 17 über UDO LINDENBERG Stark wie Zwei
Verfasst: 02 Apr 2008, 19:33
Anlässlich der "Auferstehung" des Godfather of Deutschrock gibts ein Extra-Spottlight. da mir die Hinterlegung in der Spottlight-datei nicht so ganz gelungen ist, parke ich hier zwischen:
UDO UND DIE ALTERSWEISHEIT (Spottlight 17 vom 2.4.08 )
Die Zeiten wo Udos Veröffentlichungen Happenings waren, liegen mehr als 20 Jahre zurück. Häufig bekam man seine neue Platte kaum noch mit. Umso erstaunlicher diesmal der Hype, der bereits vor der VÖ entstand. Nicht nur die Fachpresse, sondern auch Tageszeitungen und Nachrichtenmagazine aller Niveaugruppen publizierten das grosse Comeback. Die Besprechungen des Albums waren so wohlwollend und ernst gemeint wie nie zuvor.
Da ist man ja erstmal mißtrauisch, und wittert eine so ausgeklügelte und aufgeblasene Marketingstrategie wie sie bei Herrn Grönemeyer üblich ist. Zu tief war der Fall des einzstigen "Erfinders" von Rockmusik mit deutschen Texten, die zudem seinerzeit voll den Zeitgeist trafen. In den 70ern in dem Genre fast konkurrenzlos, wurde Udo in den 80ern links und rechts überholt. Maffay zockte ihm die Band ab, Grönemeyer und Lage hingegen hatten mit ihren Texten erkannt dass der Zeitgeist weitergewandert war. Udo ließ immer noch mal aufhorchen und hatte sporadische Wahrnehmungsoasen mit dem "Sonderzug", der marzialischen Antirechts-Hymne "Sie brauchen keinen Führer", und seinem Single-Hammer "Hinterm Horizont". Da aber deutschsprachige Rockmusik in den 80ern auf allen Ebenen populär wurde, blieb Udo grundsätzlich auf der Strecke und wirkte bald nur noch wie eine schlechte Parodie seiner Glanzzeiten. Alben wie "Der Exzessor", "Kosmos", "Zeitmaschine", "Benjamin", "Panik-Panther" oder "Casanova" waren nur noch peinlich. Seine originellsten Songs nahm er nicht mehr selbst auf, sondern reichte sie an andere aufstebende Bands wie z.B. "Die Prinzen" weiter.
Und nun plötzlich tönte es aus allen Ecken, "Stark wie Zwei" sei wahlweise seine beste Arbeit seit 20 bis 30 Jahren. Die Geister scheiden sich ja, ob "Udopia" die letzte geile Udo-LP gwesen sei, oder man "Odyssee" noch zur alten Klasse rechnen könne. Viele mochten auch "Götterhämmerung" noch sehr, und für mich hatte auch "Sündenknall" noch ihren Reiz, weil die Songs darauf wirklich gut waren, nur leider schwach umgesetzt wurden, weil Udo hier erstmals mit mässigen Musikern auskommen mußte.
Und jetzt bin ich 5 mal durch und wundere mich tatsächlich. Vor allem weil "Stark wie Zwei" total organisch und stimmig daher kommt. Das Album paßt einfach. Zudem ist es herrlich entspannt produziert und klingt trotz sparsamer Instrumentierung voll und ausgereift. Zudem wird sehr gut musiziert, nicht zuletzt auch von Jörg Sander, der nicht bei allen Songs dabei ist. Fiepende Synthies, tragendes Pianogeklimper und immer gleiche Gitarrensolis bleiben hier in der Tonne. Die Keyboards sind äußerst zurückhaltend und sparsam arrangiert (Ausnahme das großartige "Woddy Woddy Wodka", dass nach ruhigem, entspannten Aufbau in ein regelrecht orchestrales Finale mündet), die Klampfen geben den Ton an. Udo selbst hat zwar keine Gesangsstunden belegt, vermeidet aber zum Glück gar zu hohe Töne und gibt der Produktion mehr Blues als jemals zuvor. Man könnte fast ein bißchen Altersweisheit ausmachen.
Zu den Lyrics: Naiv kitschige Stellen ("wenn du der liebe Gott bist, warum läßt du dann Kriege zu") gibts auch hier. Plattitüde, wie sie in allen Alben lauern ("geht uns am Arsch vorbei"/ "irgendwie, das war doch klar, irgendwann da wohn ich da"), lassen sich leider nicht vermeiden. Es wäre ja auch nicht ganz fair, zu erwarten, dass Udo plötzlich anders textet. Seine Undergroundsprache hat ihn immer ausgemacht und ohne würe er unecht wirken. Auch die Themen sind nicht neu. Es gibt die gefühlten Songs Nr. 24 bis 26 über Alkohol und Drogen, die 14. Absage an Religion und Glaubensgemeinschaften und allein 6 Songs über Zwischenmenschliches. Allesamt merkwürdig auch die Stücke mit Hilfseinlagen. Stefanie Klos von Silbermond macht ihren Job in "Der Deal" sogar unerwartet gut und die Nummer rockt schön fett und dreckig. Der Einsatz von Jan Delay in "Ganz anders" ist schon fragwürdig, weil der dieser ebenfalls geilen Aufnahme eher schadet. Ganz grotesk wird es in der ohnehin schon bedenklichen Swing-Ballade "Chubby Checker" in der Udo mit Helge Schneider den Drogenhund Rex besingt. Wie immer bei Helge befindet sich der Song freischwebend zwischen Witz und Schwachsinn. Jedenfall ist der Song der absolute Fremdkörper auf dem Album. Das hält es aber gut aus.
Erwähnt sei noch, dass Udo natürlich auf seinem gefühlt 28. Studioalbum keine neuen Akkorde erfunden hat. manche Komposition erinnert mehr als deutlich an ältere Songs. Das wunderbar schwermütige "Nasses Gold" z.B. bietet gleich mehrere Adaptionsvorlagen von denen ich "Leider nur ein Vakuum" bevorzugen würde.
Oft kaschiert die gekonnte Produktion aber auch die altbekannten Riffkombinationen.
Übrigens sprach ich ja vorhin schon von Altersweisheit. "Was hat die Zeit mit uns gemacht" und "Verbotene Stadt" muten tatsächlich ein bißchen an, wie ein uns bisher eher verborgener Udo. Geradezu schöngeistige Lyrics in verbluester Athmosphäre, schwer, molllastig und harmonicagarniert. Und das Alles panisch authentisch. Ein Seelenstrip ist es aber nicht. Das Album wirkt zwar sehr persönlich, ist es aber bei näherer Betrachtung gar nicht.
Seit wann das nun tatsächlich Udos beste Platte ist, möchte ich nicht auswerten müssen. Aber sie ist um Längen besser als alle Erwartungen die ich noch an das lebende Weltkulturerbe Lindenberg gehabt hätte. Wieso er über 20 Jahre und viel zu viele unerträgliche Platten gebraucht hat um diese Wohltat abzuliefern, verstehe ich nicht. Wir wollen übrigens auch nicht übersehen, dass Udo auch in den 70ern nicht nur Hammeralben gemacht hatte. Er war ja schon totgesagt. Am totesten vor der VÖ von "Odyssee". Nur hat es nie so lange gedauert, bis er es allen nochmal gezeigt hat.
Wertung ****(von 5)
Anspieltipps: Woddy Woddy Wodka, Was hat die Zeit mit uns gemacht, Nasses Gold
1.Ich zieh' meinen Hut
2. Wenn du durchhängst
3. Ganz anders (feat. Jan Delay)
4. Was hat die Zeit mit uns gemacht
5. Mein Ding
6. Stark wie zwei
7. Der Deal (feat. Silbermond)
8. Chubby Checker (feat. Helge Schneider)
9. Der Greis ist heiß
10. Woddy Woddy Wodka
11. Nasses Gold
12. Interview mit Gott
13. Verbotene Stadt
14. Der Astronaut muß weiter
UDO UND DIE ALTERSWEISHEIT (Spottlight 17 vom 2.4.08 )
Die Zeiten wo Udos Veröffentlichungen Happenings waren, liegen mehr als 20 Jahre zurück. Häufig bekam man seine neue Platte kaum noch mit. Umso erstaunlicher diesmal der Hype, der bereits vor der VÖ entstand. Nicht nur die Fachpresse, sondern auch Tageszeitungen und Nachrichtenmagazine aller Niveaugruppen publizierten das grosse Comeback. Die Besprechungen des Albums waren so wohlwollend und ernst gemeint wie nie zuvor.
Da ist man ja erstmal mißtrauisch, und wittert eine so ausgeklügelte und aufgeblasene Marketingstrategie wie sie bei Herrn Grönemeyer üblich ist. Zu tief war der Fall des einzstigen "Erfinders" von Rockmusik mit deutschen Texten, die zudem seinerzeit voll den Zeitgeist trafen. In den 70ern in dem Genre fast konkurrenzlos, wurde Udo in den 80ern links und rechts überholt. Maffay zockte ihm die Band ab, Grönemeyer und Lage hingegen hatten mit ihren Texten erkannt dass der Zeitgeist weitergewandert war. Udo ließ immer noch mal aufhorchen und hatte sporadische Wahrnehmungsoasen mit dem "Sonderzug", der marzialischen Antirechts-Hymne "Sie brauchen keinen Führer", und seinem Single-Hammer "Hinterm Horizont". Da aber deutschsprachige Rockmusik in den 80ern auf allen Ebenen populär wurde, blieb Udo grundsätzlich auf der Strecke und wirkte bald nur noch wie eine schlechte Parodie seiner Glanzzeiten. Alben wie "Der Exzessor", "Kosmos", "Zeitmaschine", "Benjamin", "Panik-Panther" oder "Casanova" waren nur noch peinlich. Seine originellsten Songs nahm er nicht mehr selbst auf, sondern reichte sie an andere aufstebende Bands wie z.B. "Die Prinzen" weiter.
Und nun plötzlich tönte es aus allen Ecken, "Stark wie Zwei" sei wahlweise seine beste Arbeit seit 20 bis 30 Jahren. Die Geister scheiden sich ja, ob "Udopia" die letzte geile Udo-LP gwesen sei, oder man "Odyssee" noch zur alten Klasse rechnen könne. Viele mochten auch "Götterhämmerung" noch sehr, und für mich hatte auch "Sündenknall" noch ihren Reiz, weil die Songs darauf wirklich gut waren, nur leider schwach umgesetzt wurden, weil Udo hier erstmals mit mässigen Musikern auskommen mußte.
Und jetzt bin ich 5 mal durch und wundere mich tatsächlich. Vor allem weil "Stark wie Zwei" total organisch und stimmig daher kommt. Das Album paßt einfach. Zudem ist es herrlich entspannt produziert und klingt trotz sparsamer Instrumentierung voll und ausgereift. Zudem wird sehr gut musiziert, nicht zuletzt auch von Jörg Sander, der nicht bei allen Songs dabei ist. Fiepende Synthies, tragendes Pianogeklimper und immer gleiche Gitarrensolis bleiben hier in der Tonne. Die Keyboards sind äußerst zurückhaltend und sparsam arrangiert (Ausnahme das großartige "Woddy Woddy Wodka", dass nach ruhigem, entspannten Aufbau in ein regelrecht orchestrales Finale mündet), die Klampfen geben den Ton an. Udo selbst hat zwar keine Gesangsstunden belegt, vermeidet aber zum Glück gar zu hohe Töne und gibt der Produktion mehr Blues als jemals zuvor. Man könnte fast ein bißchen Altersweisheit ausmachen.
Zu den Lyrics: Naiv kitschige Stellen ("wenn du der liebe Gott bist, warum läßt du dann Kriege zu") gibts auch hier. Plattitüde, wie sie in allen Alben lauern ("geht uns am Arsch vorbei"/ "irgendwie, das war doch klar, irgendwann da wohn ich da"), lassen sich leider nicht vermeiden. Es wäre ja auch nicht ganz fair, zu erwarten, dass Udo plötzlich anders textet. Seine Undergroundsprache hat ihn immer ausgemacht und ohne würe er unecht wirken. Auch die Themen sind nicht neu. Es gibt die gefühlten Songs Nr. 24 bis 26 über Alkohol und Drogen, die 14. Absage an Religion und Glaubensgemeinschaften und allein 6 Songs über Zwischenmenschliches. Allesamt merkwürdig auch die Stücke mit Hilfseinlagen. Stefanie Klos von Silbermond macht ihren Job in "Der Deal" sogar unerwartet gut und die Nummer rockt schön fett und dreckig. Der Einsatz von Jan Delay in "Ganz anders" ist schon fragwürdig, weil der dieser ebenfalls geilen Aufnahme eher schadet. Ganz grotesk wird es in der ohnehin schon bedenklichen Swing-Ballade "Chubby Checker" in der Udo mit Helge Schneider den Drogenhund Rex besingt. Wie immer bei Helge befindet sich der Song freischwebend zwischen Witz und Schwachsinn. Jedenfall ist der Song der absolute Fremdkörper auf dem Album. Das hält es aber gut aus.
Erwähnt sei noch, dass Udo natürlich auf seinem gefühlt 28. Studioalbum keine neuen Akkorde erfunden hat. manche Komposition erinnert mehr als deutlich an ältere Songs. Das wunderbar schwermütige "Nasses Gold" z.B. bietet gleich mehrere Adaptionsvorlagen von denen ich "Leider nur ein Vakuum" bevorzugen würde.
Oft kaschiert die gekonnte Produktion aber auch die altbekannten Riffkombinationen.
Übrigens sprach ich ja vorhin schon von Altersweisheit. "Was hat die Zeit mit uns gemacht" und "Verbotene Stadt" muten tatsächlich ein bißchen an, wie ein uns bisher eher verborgener Udo. Geradezu schöngeistige Lyrics in verbluester Athmosphäre, schwer, molllastig und harmonicagarniert. Und das Alles panisch authentisch. Ein Seelenstrip ist es aber nicht. Das Album wirkt zwar sehr persönlich, ist es aber bei näherer Betrachtung gar nicht.
Seit wann das nun tatsächlich Udos beste Platte ist, möchte ich nicht auswerten müssen. Aber sie ist um Längen besser als alle Erwartungen die ich noch an das lebende Weltkulturerbe Lindenberg gehabt hätte. Wieso er über 20 Jahre und viel zu viele unerträgliche Platten gebraucht hat um diese Wohltat abzuliefern, verstehe ich nicht. Wir wollen übrigens auch nicht übersehen, dass Udo auch in den 70ern nicht nur Hammeralben gemacht hatte. Er war ja schon totgesagt. Am totesten vor der VÖ von "Odyssee". Nur hat es nie so lange gedauert, bis er es allen nochmal gezeigt hat.
Wertung ****(von 5)
Anspieltipps: Woddy Woddy Wodka, Was hat die Zeit mit uns gemacht, Nasses Gold
1.Ich zieh' meinen Hut
2. Wenn du durchhängst
3. Ganz anders (feat. Jan Delay)
4. Was hat die Zeit mit uns gemacht
5. Mein Ding
6. Stark wie zwei
7. Der Deal (feat. Silbermond)
8. Chubby Checker (feat. Helge Schneider)
9. Der Greis ist heiß
10. Woddy Woddy Wodka
11. Nasses Gold
12. Interview mit Gott
13. Verbotene Stadt
14. Der Astronaut muß weiter