Reutlingen: Gestern Abend startete im Kreuzeiche-Stadion ein einzigartiges Openair-Wochenende:
Im Rahmen der Heimattage wurde die "Rock Symphony" aufgeführt.
Noch selten haben sich in der Achalmstadt so viele unterschiedliche Musiker bei einem Crossover-Projekt vereint: Eine vierköpfige Band, sechs Sängerinnen und Sänger sowie die beiden Rapper Danny Fresh und "Young roDDie" von der Mannheimer Popakademie standen gemeinsam mit der Württembergischen Philharmonie auf der Stadion-Bühne.
Neben der Welturaufführung "Mumintroll at Midnight" des Mannheimer Filmmusikkomponisten Benjamin Köthe waren die Gönninger Songwriterin und Absolventin der Mannheimer Pop-Akademie, Johanna Zeul, der bekannte Deutschrocker
Heinz Rudolf Kunze und der britische Organist und Deep-Purple-Gründer Jon Lord zu Gast. Unter der Gesamtleitung des Dirigenten Bernd Ruf führte die Philharmonie durch ausgefeilte Klassik- und Rock-Arrangements.
Aufbruch zu neuen Ufern
2400 Besucher feiern die "Rock Symphony" im Kreuzeiche-Stadion
Am Ende gab es stehende Ovationen: 2400 Besucher feierten am Freitagabend im Kreuzeiche-Stadion Jon Lord, Heinz Rudolf Kunze, Johanna Zeul und die Philharmonie für ein brillantes Crossover-Spektakel. von JÜRGEN SPIESS
Reutlingen Ja, wenn uns nicht alles täuscht, dann thront da oben auf der Bühne tatsächlich ein Deep-Purple-Gründer. Die Rede ist von einem, der nicht nur einmal "einer der interessantesten Keyboarder der letzten hundert Jahre" genannt wurde und als Miterfinder dessen gelten darf, was Rockfans in den 70er und 80er Jahren Hardrock genannt haben: Jon Lord. Der Mann mit dem gepflegten Vollbart und dem weißen Pferdeschwanz ist schon immer ein Freund des Crossover-Gedankens gewesen. Deshalb verpasste er seinen Rockarrangements bereits vor 40 Jahren einen orchestralen Soundrahmen.
In Reutlingen wird er von der Württembergischen Philharmonie und zwölf Musikern der Mannheimer Popakademie begleitet und spielt insgesamt drei seiner klassischen Kompositionen. Dabei gibt er sich auf seiner Orgel wie in den besten Tagen. Wunderschön das 17-minütige Concerto for Group and Orchestra, 1. Satz, ein Inbegriff der Verschmelzung von Klassik und Rock. Auch seine Komposition "Wait a While", begleitet von der hervorragenden Popakademie-Sängerin Lisa Marie Neumann, geht unter die Haut.
Doch nicht nur Jon Lord und die Philharmonie mit dem Dirigenten Bernd Ruf sorgen für Begeisterungsstürme unter den Besuchern, auch die vielen anderen Interpreten des Abends lassen kaum Wünsche offen. Der Auftakt mit den Popakademie-Solisten Bastian Heuser, Julius Reich und Rapper Danny Fresh gestaltet sich überraschend stark. Gleich als dritten Song gibt es mit "Mumintroll at Midnight" eine Welturaufführung zu bestaunen.
Der Kontrast hätte nicht stärker ausfallen können: Während die klassischen Parts durch die ausgereifte, bis ins Detail musikalisch fundierte Leistung des Orchesters geprägt ist, glänzt Danny Fresh bei den Hip-Hop-Einlagen mit einem expressiven solistischen Beitrag.
Es folgen "Papa was a Rollin Stone" von den Temptations und drei Songs des singenden Energiebündels Johanna Zeul. Mit rockigen Orchesterklängen im Rücken legt die Gönningerin einen energiegeladenen Auftritt hin. Unübersehbar ist dabei ihr entspanntes Verhältnis zur Bühne. Dabei wirkt die zierliche Sängerin hyperagil und gleichzeitig emotional bewegt. Sie kann schreien wie bei "Fieber", aber auch romantisch säuseln wie bei der Ballade "Nur bei Dir" - und vor allem kann sie ihre Empfindungen aufs Publikum übertragen. Deutschrocker Heinz Rudolf Kunze hat damit zu Beginn noch etwas Schwierigkeiten. Das Publikum ist noch ganz von Jon Lords Auftritt eingenommen, zudem beginnt es leicht zu regnen. Während Kunze früher bitterböse Tiraden gegen das Establishment abfeuerte, ist er nun merklich ruhiger und harmloser geworden. Er singt mit "Ich habs versucht" und "Mehr als dies" zwei Liebeslieder, danach seinen Gassenhauer "Dein ist mein ganzes Herz" mit gewohnt kräftiger Stimme. Das Publikum klatscht begeistert mit, nur mit dem Mitsingen haperts noch ein wenig.
Beim Deep-Purple-Medley und bei der Zugabe "Blinded by the Light" gibt es beim Publikum jedoch kein Halten mehr. Es stellt sich genau das ein, was bei einem guten Rockkonzert letztlich zählt: das große Gefühl des gemeinsamen Erlebens, des Verständlichen, Sicheren, Mitsingbaren. "Black Night" und "Smoke on the Water", tönts ausgelassen von der Bühne. Das Publikum wiegt sich glücklich im Takt. Das ambitionierte Crossover-Experiment endet nach zweieinhalb Stunden mit Standing Ovations.
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