"Die ganze Stadt soll
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"Die ganze Stadt soll
ein schwarz-rot-goldenes Fahnenmeer sein." Dies fordert der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion Frank Henkel im Berliner Abgeordnetenhaus.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble solle dem Beispiel der patriotischen Fans folgen und eine Staatsbeflaggung anordnen, forderte gleichzeitig der CSU-Bundestagsabgeordnete Johannes Singhammer natürlich in der "Bild".
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat den Deutschen einen unverkrampften Umgang mit nationalen Symbolen attestiert. Daß sich die Menschen "selbstbewußt und selbstverständlich zum eigenen Land bekennen und sich freuen, beruhigt mich geradezu".
Dem stimme ich rundherum zu. Man muss sich ja nur zurückerinnern, wie trostlos es früher war.
Die Weltmeisterschaft von 1974 kenne ich nur aus Erzählungen. Traurig war das Land nach dem WM-Titel. Wo man auch hinsah: düstere Blicke und gesenkte Köpfe.
1990 habe ich das Elend selbst gesehen. Von Sieg zu Sieg der deutschen Nationalmannschaft versank das deutsche Volk mehr und mehr in Depression. Autokorsos zogen durch die Städte und hupten den Abgesang auf die Nation. Schwarz-rot-goldene Fahnen wurden zum letzten Geleit geschwenkt. Wildfremde Menschen fielen sich in die Arme, damit sie vor Kummer nicht danieder sanken.
Was haben wir innerlich geweint, als wir "Deutschland, Deutschland" riefen und dabei so verkrampft und komplexbeladen waren.
Als ich 1990 im Deutschland-Trikot vor dem Frankfurter Römer stand und mit zehntausend anderen der heimgekommenen Weltmeistermannschaft zujubelte, da waren wir alle auch sehr, sehr traurig. Zu unvorstellbar war es, ohne offen ausgelebten Patriotismus zu feiern. Wo man hinschaute damals: überall schwarzrotgoldene Fahnen als Ausdruck des Unglücks, dass es damals offiziell nur um den WM-Sieg der Nationalmannschaft ging.
1996 war es beim EM-Sieg nicht anders.
Denn es stimmt wirklich: nationale gefühle gibt es erst seit dem 9. juni 2006.
Ja, es waren dunkle, freudlose Zeiten. So ganz ohne offen gezeigtem positiven Patriotismus (was negativer Patriotismus ist, diese Frage stellen nur Haar-in-der-Suppe-Sucher und Miesmacher - also unpatriotische Menschengeschöpfe).
Es macht jetzt einfach mehr Spass. Es ist jetzt alles ganz furchtbar unverkrampft. Wenn eine Fussball-WM instrumentalisiert wird, wirds halt lockerer. Und wenn wir dann den Patriotismus endlich als offiziellen gesellschaftlichen Wert etabliert haben, können wir ja immer noch sehen, was genau wir damit tolles machen.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble solle dem Beispiel der patriotischen Fans folgen und eine Staatsbeflaggung anordnen, forderte gleichzeitig der CSU-Bundestagsabgeordnete Johannes Singhammer natürlich in der "Bild".
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat den Deutschen einen unverkrampften Umgang mit nationalen Symbolen attestiert. Daß sich die Menschen "selbstbewußt und selbstverständlich zum eigenen Land bekennen und sich freuen, beruhigt mich geradezu".
Dem stimme ich rundherum zu. Man muss sich ja nur zurückerinnern, wie trostlos es früher war.
Die Weltmeisterschaft von 1974 kenne ich nur aus Erzählungen. Traurig war das Land nach dem WM-Titel. Wo man auch hinsah: düstere Blicke und gesenkte Köpfe.
1990 habe ich das Elend selbst gesehen. Von Sieg zu Sieg der deutschen Nationalmannschaft versank das deutsche Volk mehr und mehr in Depression. Autokorsos zogen durch die Städte und hupten den Abgesang auf die Nation. Schwarz-rot-goldene Fahnen wurden zum letzten Geleit geschwenkt. Wildfremde Menschen fielen sich in die Arme, damit sie vor Kummer nicht danieder sanken.
Was haben wir innerlich geweint, als wir "Deutschland, Deutschland" riefen und dabei so verkrampft und komplexbeladen waren.
Als ich 1990 im Deutschland-Trikot vor dem Frankfurter Römer stand und mit zehntausend anderen der heimgekommenen Weltmeistermannschaft zujubelte, da waren wir alle auch sehr, sehr traurig. Zu unvorstellbar war es, ohne offen ausgelebten Patriotismus zu feiern. Wo man hinschaute damals: überall schwarzrotgoldene Fahnen als Ausdruck des Unglücks, dass es damals offiziell nur um den WM-Sieg der Nationalmannschaft ging.
1996 war es beim EM-Sieg nicht anders.
Denn es stimmt wirklich: nationale gefühle gibt es erst seit dem 9. juni 2006.
Ja, es waren dunkle, freudlose Zeiten. So ganz ohne offen gezeigtem positiven Patriotismus (was negativer Patriotismus ist, diese Frage stellen nur Haar-in-der-Suppe-Sucher und Miesmacher - also unpatriotische Menschengeschöpfe).
Es macht jetzt einfach mehr Spass. Es ist jetzt alles ganz furchtbar unverkrampft. Wenn eine Fussball-WM instrumentalisiert wird, wirds halt lockerer. Und wenn wir dann den Patriotismus endlich als offiziellen gesellschaftlichen Wert etabliert haben, können wir ja immer noch sehen, was genau wir damit tolles machen.
Ich mag immer den Mann mehr lieben, der so schreibt, wie es Mode werden kann, als den, der so schreibt, wie es Mode ist.
Georg Christoph Lichtenberg
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Tja, Gelassenheit gehört leider nicht unbedingt zu den heute so viel beschworenen "deutschen Tugenden". Alle müssen austicken. Die "rechten" Anregungen beweisen dies genauso, wie die plötzliche GEW-Forderung nach einer neuen Hymne (Brechts Kinderhymne ist schon schön, aber 1.) in der Bevölkerung nicht verankert, 2.) ist die einzig sinnvolle Melodie (Ludwig van's 9.) schon europäisch besetzt und 3. ist der Song sowas von "Entschuldigung, dass es uns gibt", dass es einen die Fussnägel hochzieht. Also Landsleute: Locker bleiben und auf dem Fußballplatz weiterkämpfen, dann kann man auch einfach mal Spaß haben. Die Threadschreiberin macht es ja vor.
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72.000 Menschen im Berliner Olympiastadion. 700.000 Menschen auf der Fanmeile in Berlin.
Allein an diesen beiden Schauplätzen über 750.000 Menschen, die die deutsche Nationalhymne singen, die „Deutschland, Deutschland“ rufen und schwarz-rot-goldene Winkelemente umherschwingen. Da werden die Spaßbremsen wohl ordentlich ins Schwitzen geraten sein. Kein Wunder, bei dem Wetter...
Bei der obigen Aufzählung der Erfolge der deutschen Fußball-Nationalmannschaft der Herren seit 1974 fehlt übrigens der Gewinn des EM-Titels 1980. Nur der Vollständigkeit halber.


Allein an diesen beiden Schauplätzen über 750.000 Menschen, die die deutsche Nationalhymne singen, die „Deutschland, Deutschland“ rufen und schwarz-rot-goldene Winkelemente umherschwingen. Da werden die Spaßbremsen wohl ordentlich ins Schwitzen geraten sein. Kein Wunder, bei dem Wetter...

Bei der obigen Aufzählung der Erfolge der deutschen Fußball-Nationalmannschaft der Herren seit 1974 fehlt übrigens der Gewinn des EM-Titels 1980. Nur der Vollständigkeit halber.

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Auch in der "Zeit" wird schon wieder die Theorie aufgestellt, ob die Hystrie in Schwarz-Rot-Gold nicht schon wieder ein Zeugnis dafür ist, das die Deutschen von einem Extrem in's andere fallen.
Alles quatsch, ich habe vor kurzem einen 2 Tagestrip von Ijmuiden mit der Fähre nach Newcastle gemacht.Im Vergleich zu England und Holland, fällt die Dekoration in den nationalen Farben, noch eher harmlos aus.
Wenn man sich dann noch die Fernsehberichte aus Rio,Buenos Aires oder auch Sydney ansieht, kann von einem typisch deutschen Nationalextrem keine Rede sein.Klar, es gibt ein bisschen mehr Schwarz-Rot-Gold als sonst, vielleicht auch mehr als bei anderen Welt- und Europameisterschaften zuvor, trotzdem ist die These von einer übersteigerten Massenhysterie schlichtweg unzutreffend.
Es fängt hier nur an, etwas normal zu werden, was in England, Holland oder Italien und vielen anderen Ländern schon immer so gewesen ist.
Nämlich das die Unterstützung für die eigne Nationalmannschaft, während eines großen Tuniers, das öffentliche Erscheinungsbild beherrscht.
Davor braucht man keine Angst zu haben, noch wo spätestens im Viertelfinale gegen Argentinien sowieso schon wieder alles vorbei ist.Unsere Nationalmannschaft wird wie bisher auch, viel schöner spielen, als in der Zeit zwischen 1991-95 und 1997-2004.Aber eben auch genauso erfolglos.
Soweit wie Rudi's Gurkentruppe 2002, die sich gegen Paraguay, die USA und Südkorea bis in's Endspiel gekrampft hat, wird diese Mannschaft, gegen die diesmal deutlich stärkeren Gegner im K.O-System nicht kommen.Tja, wenn man schon im Viertelfinale gegen den neuen Weltmeister ran muss, kann man auch mit besserem Spiel mal schlechter abschneiden.
Alles quatsch, ich habe vor kurzem einen 2 Tagestrip von Ijmuiden mit der Fähre nach Newcastle gemacht.Im Vergleich zu England und Holland, fällt die Dekoration in den nationalen Farben, noch eher harmlos aus.
Wenn man sich dann noch die Fernsehberichte aus Rio,Buenos Aires oder auch Sydney ansieht, kann von einem typisch deutschen Nationalextrem keine Rede sein.Klar, es gibt ein bisschen mehr Schwarz-Rot-Gold als sonst, vielleicht auch mehr als bei anderen Welt- und Europameisterschaften zuvor, trotzdem ist die These von einer übersteigerten Massenhysterie schlichtweg unzutreffend.
Es fängt hier nur an, etwas normal zu werden, was in England, Holland oder Italien und vielen anderen Ländern schon immer so gewesen ist.
Nämlich das die Unterstützung für die eigne Nationalmannschaft, während eines großen Tuniers, das öffentliche Erscheinungsbild beherrscht.
Davor braucht man keine Angst zu haben, noch wo spätestens im Viertelfinale gegen Argentinien sowieso schon wieder alles vorbei ist.Unsere Nationalmannschaft wird wie bisher auch, viel schöner spielen, als in der Zeit zwischen 1991-95 und 1997-2004.Aber eben auch genauso erfolglos.
Soweit wie Rudi's Gurkentruppe 2002, die sich gegen Paraguay, die USA und Südkorea bis in's Endspiel gekrampft hat, wird diese Mannschaft, gegen die diesmal deutlich stärkeren Gegner im K.O-System nicht kommen.Tja, wenn man schon im Viertelfinale gegen den neuen Weltmeister ran muss, kann man auch mit besserem Spiel mal schlechter abschneiden.

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Stimmt fast, aber den ersten Europameistertitel 1972 in Belgien ( 3:0 gegen die Sowjetunion) sollten wir ebenfalls nicht vergessen.Das war das allererste Turnier an das ich mich noch erinnern kann.HenryKupfer hat geschrieben:
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Eben und deswegen kann auch unsere Nationalmannschaft, als diesmal Sehende uns mit dem Ausscheiden im Viertelfinale gegen Argentinien endlich mal richtig glücklich machen.Nur bis es soweit ist müssen wir uns nach dem morgigem Sieg gegen Schweden, nochmal ein bitteres Wochenende die Tränen aus dem Kopf heulen.Natascha hat geschrieben:1980 war die deutsche nationalmannschaft doch nur einäugiger unter blinden.
deshalb brauchten wir da auch nur halb so traurig zu sein.
Aber das ist auch nur gerecht, wer den Schmerz der Trauer nicht kennt, hat schliesslich auch die Freude nicht verdient.

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Genau das erkläre ich im Moment auch gebetsmühlenartig allen Menschen, die mir zu euphorisch entrückt daherkommen.Regenfreund hat geschrieben:Auch in der "Zeit" wird schon wieder die Theorie Soweit wie Rudi's Gurkentruppe 2002, die sich gegen Paraguay, die USA und Südkorea bis in's Endspiel gekrampft hat, wird diese Mannschaft, gegen die diesmal deutlich stärkeren Gegner im K.O-System nicht kommen.Tja, wenn man schon im Viertelfinale gegen den neuen Weltmeister ran muss, kann man auch mit besserem Spiel mal schlechter abschneiden.
Aber toll ist das schon, wie reibungslos und friedlich wir dieses Turnier erleben dürfen. Macht schon Spaß.
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Schau mal in die WM-Historie. Da finden sich einige Thesen, die bei dieser WM bewiesen wurden. Dass Brasilien diesmal nicht das Finale erreichen würde, gehört dazu. Allerdings verspricht die Geschichte auch keinen erneuten WM-Titel Deutschlands als Gastgeber. Naja, manchmal bestätigen ja auch Ausnahmen eine Regel...


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