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Riders on the Storm im Fahrstuhl - Die Brille-Podcasts

Was ist eigentlich ein Podcast? POD steht für Play On Demand, das Cast hängt sich aus Broadcast an. Erforderlich sind spannende Teilnehmer und der Seriencharakter. Elf Sendungen haben wir von Heinz Rudolf Kunze inzwischen zusammen, da kann man also schon einmal ein erstes Fazit ziehen.

HIER geht´s zum SPOTTLIGHT #58

HEINZ auf der Suche nach dem passenden W:O:A Bühnenoutfit

W:O:A  Es begann vor ein paar Jahren mit einem Auftritt von Santiano. Zwar auf einer Nebenbühne, aber Metal-Fans sind konservativ, deshalb sind Tabubrüche riskant. Und Wacken ist das Mekka der Bewegung.

Es kam aber keine nennenswerte Kritik daran, dass man einen Act bucht, der auch schon bei Carmen Nebel dabei war. Die zogen ihr Ding dann auch durch und die Besucher fanden es prima.

Jetzt muss man auch die Historie bewerten. Wacken hat sich vom kleinen Hardrock-Event für Outlaws recht organisch in 20 Jahren zum kommerziellsten und angesagtesten Metal-Festival weltweit entwickelt. Irgendwann um 2010 waren die an einen Punkt gelangt, ab dem man nicht weiter wachsen konnte. 70.000 Tickets war nicht mehr steigerbar, die größten Bands fraßen dem Veranstalter aus der Hand, der Vorverkauf sämtlicher Tickets fürs nächste Jahr ist in 3 Stunden erledigt. Die Bewegung war oben angekommen, höher ging nicht.

Wacken ist kult, aber der Kult stagniert inzwischen. Deshalb die Idee, wenigstens künstlerisch vorsichtig ein wenig Ausbruch aus der heiligen Messe zu wagen. Ein bisschen Entwicklung, ein wenig Farbtupfer in die so ernste Metal-Welt.

Santiano war dabei gar nicht mal der geplante Einstieg, auf die war man just for Fun gekommen, wegen der regionalen Nähe, weil die eben auch mal mit Distrtion spielen, die Refrains nicht immer mit sauber getroffenen Tönen treffen. Und weil sie eine erprobte Live-Truppe sind, mit Musikern die vor Santiano auch schon alles durch hatten.

Nun, das Ding kam an, und die Idee entstand, zwischen all den Metal-Helden, die schon so oft hier waren, plazieren wir doch mal Genre-ferneres, was aber das Zeug zur Wacken-Tauglichkeit haben müsste. Deutschsprachige Mittelalter-Rock-Acts wie In Extremo oder Subway To Sally hatte man ja vor Jahren auch schon erfolgreich integriert. Und dann war es Joachim Witt, der in seiner Gothik-Phase in Wacken spielte, und beim Bier mit dem Veranstalter auf HRK-verwies, als die Rede auf Deutschrock-Bands mit breitem Spektrum und außergewöhnlichen Lyrics kam.

Dreißigtausend Fuß, noch ein letzter Gruß – dann zieh'n die Wolken Lederjacken an, mit Sternen drauf.

In Leipzig glaubte Matthias Winkler zunächst an zu viel Alkohol, als er die Anfrage aus dem hohen Norden bekam, ob der Heinz sich so einen Auftritt vorstellen könnte. Als der Wacken-Booking-Chef konkretisierte, Voraussetzung wäre aber ein heftiges Set, und der Selig-Bassist (Schnitthals, oder wie der heißt...) wäre doch da auch im Boot?, wurde Heinz die Idee vorgetragen. Der dachte auch zuerst, er würde von "Verstehen sie Spaß" heimgesucht, ließ sich dann aber den Vertrag mit den Bedingungen faxen.

Keine Frage, die Idee ist spannend. Und mit schrägen Ideen kann man Heinz immer locken, zumal er ja auch darin erprobt ist, mal auf die Nase zu fallen.,,

Heinz stellte Songs zusammen, die ein 70-minütiges Set ausfüllen könnten. "Möchtegernopfer" fiel ihm sofort ein, "Menschenfleisch" geht auch als Metal durch. "Himmelfahrtskommando" wäre ein schöner "Opener", "Draufgänger könnte die Zugabe sein. O.K., wir probieren das. Mit SMS und Mail-Verkehr wurden Ideen zusammengetragen bis schließlich alle, abgesehen von Matthias Ulmer, Feuer und Flamme waren, dieses Set wirklich zu spielen. Ulmer ahnte, dass er hier nicht die gewohnte Präsenz haben würde. HEINZ durchsuchte zwischenzeitlich seinen Fundus auf ein brauchbares Outfit "Dreißigtausend Fuß, noch ein letzter Gruß – dann zieh'n die Wolken Lederjacken an, mit Sternen drauf. Auch wird ein neuer Künstlername kreiert, als HEINZ Ozzy Kunz(e)thammer findet die Rückbesinnung auf die wahre Leidenschaft auch auf den Plakaten statt.

In Wacken prüfte man gewissenhaft und gab dann grünes Licht. Halbherzig kann man das nicht machen, der Metal-Fan will schon ernstgenommen werden, sonst ist er beleidigt. Der Auftritt wurde für den letzten Tag, den 4. August um 15.20 h gesetzt, zwischen Schandmaul und Dimmu Borgir auf der Hauptbühne 2. Und auch wenn es offiziell noch secret ist, wir haben das Set schon. Jedenfalls unter Vorbehalt, denn geprobt wird erst in der Woche vorher.

Himmelfahrtskommando - Schieß - Menschenfleisch -

Die kommen immer wieder - Möchtegernopfer - Die Sprache die sie verstehn

Wozu Feinde - Das perfekte Verbrechen - Jesus Tomahawk - Jetzt erst recht -

Dagegen -

______________

Nachts um halb Drei - Draufgänger  -

Die Setlist im Detail:   W:O:A-Set

Einige Songs sind ja schon Hardrock, andere muss man etwas anschleifen, die Struktur eignet sich aber prima dafür. Herausfordernd werden vor allem "Die Sprache" und "JT" sein, weil sie komplexer gebaut, und langsamer veranlagt sind. Anspruchsvoll wird es auch für Heinz, der oft an die Rythmusgitarre muss, und ein bisschen die Attitüde des verruchten Metal-Shouters geben soll. Hier geht Volumen in der Regel über Ausdruck und Wohlklang. Ulmer wird mehr auf Flächenabdeckung denn auf Virtuosität bedacht sein. Die Anderen werden sich problemlos umstellen. Metal zählt aus künstlerischer Sicht nicht zu den unerreichbarsten Genres.

Bewegte Bilder werden wir wohl nicht bekommen, 3Sat überträgt Abends, plant Aufzeichnungen von Samael und Dirkschneider und zeigt Headliner Judas Priest dann live. Das eine oder andere Handy-Video sollte aber bei youtube auftauchen.

Zugegeben, für den HRK-Fan eine seltsame Buchung. Wahrscheinlich auch nicht gerade die Chance, neue Fans einzusammeln. Aber wenn alles gut geht, wird es mehr Spaß bringen als "Zu Gast bei Carmen Nebel" zu sein. Und wir werden sehen, dass wir eine möglichst breite Berichterstattung hinbekommen. Und wer es erleben will, es gibt noch Restbestände an All-In-Tickets für 221 Euro.

"SOLO".......Phase 2

Diesen Abend hätte man mitschneiden müssen. Das Set wird so sicher nie wieder zu hören sein. Die Magie des Augenblicks, die Konstellation, unter der alles passt. Theoretisch reproduzierbar, praktisch aber zum Scheitern verurteilt.

Isernhagen, 15.9.2017. HRK mit seinem Solo-Programm im ausverkauften Isernhagenhof. Hm, war da nicht was? Oh ja, dort fand nämlich am 1.10.2015 bereits eines der ersten „Solo“-Konzerte statt. Ich hatte seinerzeit hier auch mit großem Vergnügen darüber berichtet. Mein „Solo“-Debüt. Zudem ja ein Heimspiel, Heinz wohnt nur 7 km entfernt und spielt also quasi im weiteren Sinn vor Nachbarn. Ihr ahnt was jetzt kommt?
Es ist ja ohnehin bekannt, dass Heinz gern mal sein Programm variiert, neue Sachen ausprobiert, gerade geschriebene Texte einstreut. Das „Solo“-Programm hat er aber um feststehende Eckpfeiler gestrickt, die bis zu diesem Abend das Korsett bildeten. So viel Raum war da gar nicht für nennenswerte Veränderungen.
Nun war aber klar, dass der veranstaltende Kulturverein mit zahlreichen Abonnenten und lokalen Gästen ein Publikum stellen würde, dass dem von vor 2 Jahren ziemlich gleicht. Und das war für Heinz Ansporn und Gelegenheit, mal richtig in die Kiste der Überraschungen zu greifen. Und so strickte er ein Set, dass den kundigen Altfan von einer Verzückung in die nächste trieb, dabei aber auch alle anderen Besucher restlos zufrieden zurückließ. Dem Publikum unterlief nur ein Fehler, aber dazu später mehr.

OK, zur Sache. Heinz kommt auf die Bühne, nimmt Platz, und trägt den allerletzten Text aus „Schwebebalken“ vor. Da er keine Überschrift hat, nennen wir ihn „John“. Das Publikum hat Freude, wird dann aber vom ersten Song in einen beklemmenden Bann gezogen. Das ist nämlich überraschenderweise „Es ist Krieg“. Meines Wissens nie zuvor gespielt. Unheimlich intensiv, nur Heinz seine Stimme und die Gitarre füllen diese zum Konzertsaal umgebaute Scheune mit toller Akkustik mit der hoffnungslosen Rhetorik über Verhaftungen ohne jeden Grund, schmierige Frisöre und an Laternen hängenden Präsidenten.
Das saß schon mal, der nächste Text, auch aus Schwebebalken, ist die Geschichte von der kaputten Leselampe, dann folgt „In der Mitte der Sanduhr“. Was für ein Auftakt. Der dritte Text, auch aus dem aktuellen Buch, ist der Dialog über den Partnertausch mit Arzt. Dann „Leg nicht auf“, das erste Stück aus dem Solo-Stammprogramm.
Der vierte Text dürfte relativ neu sein, wie ganz viele die noch folgen würden. Es geht um ZDF-Krimis auf NEO, insbesondere die Folgen von „Der Alte“ mit Rolf Schimpf. Der Text enthält einen Dialog, der laut Einleitung in jeder Folge auftritt und im Dutzend den Ausruf „Ich weiß nicht“ enthält. Es folgt die Räuberzivil-Nummer „Der Kartenleger“.
Der nächste Text ist schon etwas älter, heißt „Jeder Mann“ und leitete schon vor 10 Jahren das wunderbare „Alaska Avenue“ ein, das Heinz nun erstmals allein spielt. Danach „Immer noch besser als Arbeiten“, auch nicht im normalen „Solo“-Programm, aber bei den Promo-Rundfunkkonzerten zu „Deutschland“ schon gehört.
Heinz wechselt übrigens zwischen drei Gitarren und variiert auch gelegentlich über Effekte und Lautstärke den Klang, so folgt einem Text über eine TV-Küchenschlacht mit dem Motto „Kochen in der DDR“ das traumhafte „So wie du bist“ mit einer fein dosierten Portion Flanger. Und da die Räuberzivil-Songs fast die Hälfte des Abends abdecken, gibt es darauf eine brillant klingende Version von „Brot aus Gold“.
Der nächste Text kommt aus der Heilanstalt und heißt vermutlich „Ich bin die Beatles“ und bevor es zum Klavier geht kommt das Mundharmonikagestell zum Einsatz für „Aller Herren Länder“. Den Wechsel zum Flügel, unter Mitnahme aller Unterlagen, nutzt das Publikum für einen tosenden Applaus für den es bisher immer nur sehr begrenzt Zeit hatte.
Auch die erste Piano-Strecke beginnt mit einem Text in dem es um das Überfahren von Fußgängern geht. Der Rückgriff aufs allererste Album fördert heute auch eine andere Auswahl zu Tage, nämlich die „Romanze“. Übrigens das erste Lied, das ich von Heinz damals im TV gehört habe, seinerzeit bei Bio´s Bahnhof. Auch da mit fulminanter Wirkung. Aber einige Jahrzehnte später beherrscht Heinz seine Stimme in ganz anderer Weise, kann mit Volumen, Tempogefühl und Technik mehr Ausdruck und Intensität in den Saal tragen.
„Ich bin keiner von euch“, ein Text gegen Vereinnahmung, kündigt die nächste, nur in der Räuberzivil-Quartett-Fassung wenige Male aufgeführte Nummer an, die Heinz aus mehr oder weniger aktuellem Anlass ausgesucht haben dürfte. „Willkommen liebe Mörder“ hat es schließlich zu einer gewissen Prominenz bei Facebook gebracht, wo seit geraumer Zeit Wutbürger nicht wahrhaben wollen, dass sie einem Missverständnis aufgesessen sind. Die Klavier-only-Fassung besticht durch überwiegend gehämmerte Akkorde. Nach dem Song stellt Heinz zur Ausräumung allerletzter Irrtümer klar, was der Einleitungstext bereits verdeutlicht hatte, dass dieser Song nicht Frauke Petry, sondern Beate Tschäpe gewidmet ist.
Wer nun doch angesichts „Willkommen liebe Mörder“ ein bisschen verwirrt wurde, dem kann der nächste Song wieder in die Spur verhelfen. Für mich von allen Überraschungen des Abends die zweitgrößte. Und zwar „Jeder bete für sich allein“. Und jetzt muss ich mal einen Exkurs machen. Erinnert ihr euch an die Diskussion im Forum, angesichts der spartanischen Vorproduktion zum „Deutschland-Album“, die Heinz mit Peter Pichl gemacht hatte. Und nach deren Veredelung Peter Heinz mit der Wahrnehmung einer deprimierenden Melancholie erschreckte. Diese Ein-Mann-Demos haben ohne Frage angeschoben und motiviert, dass Heinz inzwischen mit nahezu allen Albumtiteln allein auf die Bühne geht. Sich traut, einen Song, bei dem das kaum möglich erscheint, ganz nackt aufzuführen. Und damit eine viel direktere und ursprünglichere Wirkung zu erzeugen. Gerade und vor allem bei „Jeder bete“ wird das provokative Element ja viel eindringlicher.
Einem kurzen Sprechtext folgt sogleich die Einleitung zum nächsten Stück aus „Deutschland“, wohlbekannt von den Rundfunkkonzerten. Die wunderschöne „In der alten Piccardie“. Danach kehrt ein wie aus dem Wasser gezogener Heinz, der das Programm auch heute ohne Pause aufführt, zu seinen Gitarren zurück.
Es folgt das „Lied für Berlin“, bei dem ich mir noch denke, dass ich lieber „Regen in Berlin“ gehabt hätte. Ein Text der in einem Atombunker spielt schließt sich „Elixier“ an. Und nach dem Text aus „Schwebebalken“, in dem es heißt „Kinder die was wollen – kriegen was auf die Bollen“, bekommen wir den wohl dritt-unerwarteten Song des Abends geboten. Ein Textmonstrum mit stattlicher Länge und hochunterhaltsamen Lyrics, „Mein Anwalt und ich“.
Meine Notiz zum nächsten Sprechtext kann ich nicht lesen, und dann bekommt das Publikum einen der ganz seltenen Airplay-Kracher des Abends, nämlich „Meine eigenen Wege“. Der nächste Sprechtext handelt von einem Jogging Anzug der Größe 649 und mit „Wenn du sie siehst“ kommt ein Song zum Einsatz, der bereits in einem halben Dutzend verschiedener Versionen und Besetzungen erprobt wurde.
Es ist wieder Zeit fürs Klavier. Zuerst ein neues gesprochenes Gedicht und dann wieder eine Überraschung aus dem letzten Bandalbum. „Nur eine Fotografie“ gehört ja für die meisten zu den zwei, drei unscheinbarsten Liedern der Platte. Aber heute Abend ist das Lied ein Anderes und teilt sich bildhafter und irgendwie größer mit. Der Hörer ist einfach besser im Thema.
Aus dem nächsten Sprechtext muss ich kurz zitieren. Seine Kernaussage ist, dass man mit Musikerkollegen kein Mitleid haben soll. Aber es gibt zwei Ausnahmen ihre Namen betreffend. Einmal die Gruppe Wind und Cindy & Bert. Bert lebt ja nun nicht mehr, und Heinz hatte im Sächsischen ein Plakat gesehen, auf dem für ein Schlagerfestival allen Ernstes folgende Ankündigung stand: „Cindy & Bert – jetzt ohne Bert“.
Dem Lachflash folgt „Lisa“, virtuos und einnehmend, und wieder der Instrumentenwechsel. Die Intervalle werden kürzer, Heinz muss jetzt auch noch Kilometer machen. Und sich auspowern. Jetzt kommt das Groovemonster „Deutschland“.
Der Künstler steht inzwischen fast in einer Pfütze, der Saal ist nach inzwischen weit über 2 Stunden in Ekstase, aber irgendwie will der da vorn offenbar bis morgen früh durchspielen. Oder doch nicht? Wieder am Klavier kommt etwas mehr als Vertrautes, etwas, mit dem man so ein Set durchaus beenden könnte. Und so ist es auch. „Herz“ schließt ein megaaufregendes Programm zunächst mal logisch ab. Jubel, Verbeugungen, Standing Ovations, Abgang, Zugabegebrüll.
Nun, ich hatte jetzt noch ein paar nicht unbedingt benötigte Klassiker wie „Lola“, „Mit Leib und Seele“, Ich habs versucht“ oder die „Bestandsaufnahme einschl. Harmonika“ erwartet, aber sicher nichts mehr, was aus dem Sessel reißt. Aber manchmal macht man die Rechnung ohne den Künstler. Mitten in das jubelnde Volk hinein kommt jetzt nämlich der Hammer des Abends. Ich hatte mit vielem nicht gerechnet, aber was jetzt passiert, konnte ich überhaupt nicht fassen. Heinz spielt ein Klavierintro, und es entpuppt sich als „Die Letzten unserer Art“.
Was geht denn hier ab? Ich liebe die Nummer und ihr großartiges Arrangement in der Bandfassung. Und jetzt spielt Heinz das Ding solo. Düster, resigniert, mahnend, geschlagen. Ein Traum. Ganz grandios. Und ich bin dabei.
Apropos geschlagen. Vorhin hatte ich noch daran gedacht, jetzt gibt es „Regen in Berlin“ tatsächlich auch noch obendrauf. Die Songs trennen 35 Jahre, aber jetzt sind sie sich so nah. Das Leben wird vorbeigewinkt.
Der zweite Zugabenblock konzentriert sich auf bekannte Kost und Gitarre. Zuerst „Mabel“, dann „Blowin´ in the Wind“ mit unvermeidlichem Harmonika-Solo. Dann wieder Standing Ovations, Verbeugungen, Abgang. Und dann der schwere Fehler den ich am Anfang erwähnte. Der Abend war lang, der nächste Tag ein Arbeitstag, und der Künstler zum Auswringen verschwitzt. Eine Handvoll Besucher vermutete das Ende der Veranstaltung und strebte dem Ausgang entgegen, wohl auch um zügig vom Parkplatz zu kommen, von dem nur ein Nadelöhr herunterführt. Auch die restlichen 95% der Besucher deuten das als Signal für das Veranstaltungsende und brachen den tosenden Applaus zögernd, aber deutlich wahrnehmbar ab.
Heinz war angesichts seines Feierabends zwar weder unglücklich noch beleidigt, bestätigte aber in der Garderobe, dass er selbstverständlich noch Einiges parat gehabt hätte. Und zwar auch, hier stockte mir der Atem, den „Kakadu“.
Ich will ja nicht hadern, dass wäre angesichts dieses überwältigend zusammengestellten Programms absurd, aber ob die Chance noch mal wiederkommt, darf bezweifelt werden. Satte 26 Songs, von denen ungefähr 20 weitgehend unerwartet, und etwa 12 umwerfend überraschend anmuteten. Dazu ein gutes Dutzend neuer Texte und ein halbes Dutzend aus dem hinterlegten Regel. Heinz hatte vorher ein bisschen Sorge, ob dieses neu zusammengestellte Programm so funktionieren würde wie das von festen Säulen getragene Gerüst des A-Sets, aber daran kann es keinen Zweifel geben. Und der Hardcore-Fan, der es gern durchgeknallt und speziell hat, der war sowieso völlig geflasht.
Klar auch, dass Heinz es genossen hat, sich dieses Programm auszudenken, es vorzubereiten, und auf diese Bühne zu bringen. Aber das A-Set wird natürlich das A-Set bleiben. Atmend und mit Variationen zwar, aber eben doch wesentlich weniger experimentell.
So, ich mache jetzt auch Feierabend. Bis bald…

kommende Termine siehe    http://heinzrudolfkunze.band/termine/solo

Ein paar Sachen vorweg. Das Coveralbum hatte mich bekanntlich einigermaßen verstört, und ich weiß, dass man hier im Wuki-Board von mir keine fröhlichen Werbetexte erwartet, sondern Essay-ähnlichen Klartext.
Wer nun aber vermutet, dass ich die Sahneschnitten-Tour (OT Heinz) zum Coveralbum hier durch den Wolf drehe, wird enttäuscht sein. Denn im Gegensatz zum Album mit Ansage in die Hose gegangenen Album haben wir es hier mit einer megaerfolgreichen Tour zu tun. Die Veranstaltung selbst war sicher nicht mein Wunschprogramm, aber mir geht das Herz auf angesichts der pickepackevollen Hallen mit richtig begeisterten und dankbaren Menschen.

Man muss sich das schon mal vor Augen halten. Heinz war erst im Oktober auf einer Tour in Magdeburg, die dem Album acht Monate hinterherhinkte. Und nicht einmal ein halbes Jahr später kehrt er zurück und füllt die riesige Stadthalle mit einem weiteren Programm,  das ohne organische Promotion auskam, weil das dazugehörige Album ja nun mal unter Wahrnehmungsstörungen litt. Insgesamt über 90% Auslastung in wirklich nicht kleinen Häusern. Eine Erfolgsgeschichte. Und Grund genug, nun für den Herbst eine Fortsetzung zu prüfen, zumal Westdeutschland ja ein ganz kleines bisschen zu kurz gekommen ist.  Diese Prüfung läuft gerade.

Kommen wir zum Konzert selbst. Das Programm ist ja bekannt, weshalb ich mich mit eigenen Beobachtungen beschäftige. Zwei Schwerpunkte machen die Veranstaltung für geübte HRK-Konzertgänger interessant. Die "neuen" Songs aus dem Coveralbum, und die neuen Arrangements auch klassischer HRK-Songs durch das Streicher-Trio, vertreten mit Cello, Bratsche und Violine. Und da wäre vor allem zu erwähnen, dass wir es hier nicht mit einem 08/15-Rock meets Klassik-Alibikonzept zu tun haben, sondern mit einschneidenden Beiträgen, die die Songs wirklich verändern. Übrigens nicht alle Songs, weil man Aufwand und vor allem Probenkapazitäten dosieren musste. Zu Beginn des zweiten Teils (das Programm hat eine Pause) spielt die Band gleich fünf Songs am Stück ohne das Trio, sodass man sich fragte, ob die in der Pause verlorengegangen sind. Insgesamt sind sie bei gut der Hälfte der Songs dabei. Dann aber eben auch sehr prägnant.

Bei der Auswahl der Coversongs für die Bühne ahne ich eine Art Kompromiss. Die beiden schrägen Vertreter "Haus der Lüge" und "Mussolini", die in diesem Programm seltsam gewirkt hätten (auch wenn ich sie natürlich unbedingt dabeihaben wollte), wurden ausgespart. Dafür aber auch die Songs, die für Altfans den Supergau bedeutet hätten. Kein "Junge komm bald wieder" und vor allem keine Münchner Freiheit. Hierzu habe ich mir, auch wenn das natürlich Quatsch ist, eingeredet, Heinz habe mir damit einen persönlichen Gefallen tun wollen.

So ziemlich alle der gespielten Cover-Songs gewinnen deutlich gegenüber der Studioaufnahmen, was allerdings auch zu erwarten war. Die "Lachse" kommen mit Wucht fett und geil daher und werdeb geradezu zum Heinz-Song.  Die Ärzte-Nummer wird zur opulenten Pop-Hymne und "Berlin" mutiert im Zugabenblock mit umgekleideter Band zum Wave-Festival. Richtig gut gemacht mit einstudierter Choreo und liebevoller Hommage an F.J.Krüger.

Opener "Blumen aus Eis" fand ich etwas zahnlos, abgesehen davon, dass die frühem Karat weit bessere Songs gemacht haben, und die Hosen-Nummer passt meiner Meinung nach einfach nicht zu Heinz und stellt ein Mißverständnis dar. Interessant hingegen das von Heinz einsam, dann mit klassischer Unterstützung, vorgetragene "Was ich dir sagen will" in tonnenschwerem Moll. Die Akkorde brechen aus dem Klavier wie fallende Ziegelsteine. Nicht ganz meine musikalische DNA, aber sehr eindrucksvoll. Danach , "Lisa" in einer kammermusikalischen Version. Gewöhnungsbedürftig, aber großartig dargeboten. Und weiter ohne Band "So wie Du bis", ungemein untensiv, nackt und gläsern.
Danach heißt es tapfer sein. Die Band kommt zurück, Heinz macht eine Ansage die er nicht so meint, und wir bekommen "Hunderttausend Rosen" geboten, noch dazu in einer Version, die  hinter der aus der "Gunst der Stunde"-Tour noch zurückbleibt weil das Trio unfreiwillig mit in den Blumentopf gerät.

Die meisten Songs, die bereits im Oktober im Set waren, kommen natürlich ohne Neubearbeitung aus, wenn man davon absieht, dass dir Band von einer sechsten "Geheimwaffe" (OT-Heinz) unterstützt wird, was sich vor allem in Percussion und Rhythmusgitarre auswirkt. Vor allem das großartige "Schausteller"-Intro zu "Mit Leib und Seele" und "Die offene See" gehören dabei zu den Highlights, "Paradies" und "vor allem "Hallo Himmel" schienen mir sogar etwas mehr Wall of Sound zu sein, als auf der "Deutschland"-Tour.
Während dem "Protest"-Block "Einmal noch und immer wieder und "Längere Tage", erhoben sich dann die ersten Begeisterten  und begannen in dem drei meter breiten Zwischenraum und Reihe 1 zu tanzen. Kann man machen, muss man aber nicht. Ungefähr ab Mabel erhob sich dann der halbe Saal, als wolle er gegen die Bestuhlung protestieren.
Das Konzept geht voll auch, der zweite Teil, und auch die Zugaben, sind keine Verbeugungen mehr sondern HRK pur. Auch das Trio hat jetzt nur noch wenig Gelegenheit, die besondere Note aus der ersten Hälfte durchzusetzen, jedenfalls bis zur Schlussnummer. Die ist, wenn auch dreihundertzwölf Mal gehört, heute für die Ewigkeit. "Ich hab´s versucht" geht nämlich in voller Stärke über die Bühne. Das markante Solo spielt die Viloline und anschließend gibt  Jens den Startschuss zu einem brillianten Finale furioso und treibt auch mir, der ich den Abend relativ sachlich verfolgt habe, die Begeisterung in die Glieder, die da unten in dieser riesigen Halle schon lange überkocht.

Apropos Halle, ich erwarte von Kalle, der für die Bilder eingeteilt war, dass er diesen Text mit einer Außenaufnahme der Halle anreichert. Reichert? Nein, Reichard. Ja, ein Wortspiel. Manu Reichard, Magdeburgerin und häufiger Gast und oft auch Merch- Beauftragte, hatte mir vor Jahren schon mal erklärt, warum sie zwar gern die halbe Tour begleitet, aber auf die Stadthalle ihrer Heimatstadt gern verzichtet (diesmal übrigens nicht). Diese Halle, so gross sie ist, und so schön sie direkt an der Elbe gelegen ist, versprüht den Charme eines Kriegsbunkers aus dem zweiten Weltkrieg. Auf der Homepage hat man ja eine vergleichsweise schmeichelhafte Ablichtung hinbekommen, aber die Wirklichkeit machte mir Angst.
Von innen übrigens wirkte der Bau, als habe er gestern noch einen SED-Parteitag beherbergt. Riesige Vorhänge in einer Art missglückten beige-Ton an den Wänden hüllen den riesigen Hangar in eine Atmosphäre, dass man zwangsläufig vergessene Honnecker-Bilder an der Wand sucht. Und die zahllosen von der Decke hängenden Beleuchtungsgebilde sehen aus, als habe man 300 nackte Glühbirnen zusammengeklebt.
Merch gabs übrigens diesmal gar nicht, nicht mal "Meisterwerke-CDs. Aber die waren ja in der Tat auch schon im Oktober im Programm.  Das wird auch dadurch verständlich, dass die gebuchten Locations in der Regel inzwischen bemerkenswerte Extra-Mieten aufrufen.

So, ich bin dann wohl durch, wollte aber noch was in eigener Sache sagen. Ach ja, ich bekomme wütende Mails, weil meine Playlist-Serie im Forum immer so spät dran ist. Diesmal habe ich die März-Liste im März gar nicht geschafft und wir haben jetzt Mitte April. Kommt aber noch. Für 3 und 4/17 gibt es eine Doppel-CD-Playlist. Die ist jetzt fast fertig, steht unter dem Motto "Deutschspachig und besonders" und mußte eben wegen dem erforderlichen Umfang zweitteilig werden, aber zusammen erscheinen.

Bis die Tage, der nächste Text enthält dann auch wieder fette Neuigkeiten.

Das Geheimalbum                                    Gestern_geheim-heute_kulturAcht Monate nach "Deutschland", und noch vor der dazugehörigen Tour, erscheint am 30. 9. die Platte "Meisterwerke - Verbeugungen", und niemand soll es wissen. Den Eindruck könnte man zumindest bekommen, weil der Fanclub weder vom Künstler, noch vom Management, und erst recht nicht vom Label den kleinsten Hinweis erhalten hat. Kalle und ich z.B. haben aus dem Forum davon erfahren, wo auch gleich die Verlinkung zu den obligatorischen 30-Sekunden-Schnipseln und zu einem selten dämlichen Pressetext bereitstand.

meisterwerkeUngläubiges Staunen nach Betrachtung der Titelauswahl. Heinz covert 14 Songs, die nicht eben aus der Tiefe kommen, sondern fast ausschließlich bekannte Gassenhauer mit Dauerrotation waren und sind. Die Verbeugung finded statt vor Ideal, DAF und den Neubauten, vor Ärzten und Hosen, aber auch vor Freddy Quinn, Hildegare Knef und Roy Black. Der Supergau ist aber "Solang´ man Träume noch leben kann" von der Münchener Freiheit, für mich mit das Furchtbarste, was je an Musik produziert wurde.
Nun, natürlich ist das kein Album für die Fans, und die gewohnte Wuki-Berichterstattung im Vorfeld einer neuen Platte hätten wir auch mit entsprechender Ausstattung kaum leisten können, aber den Weg, den dieses seltsame Album von der Geburt der Idee über die Ausgestaltung eines Konzepts bis zur tatsächlichen Produktion genommen hat, hätte ich schon gern nachgezeichnet. Das Ganze ist nämlich ein einziges Rätsel. Das ist einfach nichts stimmig. Es kann sich eigentlich nur um einen Wust von Missverständnissen und Kompromissen handeln.

Vor allem ist für dieses Album weit und breit keine Zielgruppe zu erkennen. Wenn die nicht in München ein riesiges Budget für Promotion aufrufen, was ich nahezu ausschließen würde, kriegt das Ding gar keiner mit. Gut, man kann zwei Songs in die Tour einbauen, und pro Konzert 20 CDs beim Merch verkaufen. Aber die helle Freude wird das auch nicht, wenn man nach einem tollen HRK-Konzert auf der Heimfahrt den Künstler in den Player schiebt, und "Junge komm bald wieder" singen hört.

Kommen wir zu den Arrangements. Eine seriöse Besprechung kann man anhand von 30-Sek-Auszügen nicht verfassen. Da es sich aber hier um fast ausschließlich hinlänglich bekannte Songs handelt (Ausnahme Caspar), bekommt man schon einen gewissen Eindruck. Die Versionen sind ernsthafter als z.B. bei Heino, vielseitiger als bei Reinhard Mey, und nicht so schräg wie bei Peter Gabriel, auf dessen Coveralbum man einige Songs gar nicht wiedererkennen konnte. Sie sind pragmatisch. Und sie sind distanzierst. Wir hören hier keinesfalls liebevollen Interpretationen, sondern mehr Auftragsarbeiten ohne Handschrift. Ich glaube auch nicht, dass die Verstärkung viel mit diesem Werk zu tun hatte. Vielleicht hat Matthias Ulmer einige Files per Email geschickt, der Pressetext gibt dazu keinerlei Informationen preis.

Schade ist es nur, wie schon beim Duett-Album, bei dem sich Heinz auch von den Münchnern zu etwas überreden ließ was nicht seins war, mal wieder um die schöne Idee. Ein möglicherweise mit Räuberzivil eingespieltes Coveralbum mit echten Verbeugungen vor dann Blumfeld, EoC, Stoppok, Rammstein und sicher auch Künstlern aus der vorliegenden Sammlung. Aber nicht mit Airplay-Hymnen, sondern den wirklichen Perlen. Zugegeben, mehr als 5000 Einheiten wären davon auch nicht zu verkaufen gewesen, aber wir hätten die Höchstwertung gevotet.

union-jack-kunzeUK-Tour Faellt-aus

Eigentlich sollte es eine Hammermitteilung werden. Eine UK-Tour mit Namen "Deutschland". Wie das auf dem Plakat genau ausgesehen hätte, stand noch gar nicht fest. Vorne lag wohl der Entwurf "Heinz Rudolf Kunze - Deutschland-Tour UK2017". Und dann die 15 Spielorte quer über die Insel. Zwei Mal Wales (Swansea, Cardiff), zwei Mal Schottland (Glasgow, Motherwell) und elf Mal England mit dem legendären Roundhouse im Londoner Norden, Birmingham, Oxford, Nottingham, Leeds, Bristol, Liverpool, Manchester, Blackpool, Bradford und zum Abschluss der semiakustische Abend in der Union Chapel.

MAWI hatte die Planung zusammen mit der englischen Agentur Stage Burn gestartet, und eigentlich war das Ding fertig. Ein deutschsprachiger, nur mäßig bekannter Rockpop-Act auf der Insel. Um die etwas schräge Idee tragfähig zu bekommen, hatte man die Ticketpreise mit 22 GBP niedrig angesetzt. Und da liegt nun das Problem. Nach der Brexit-Entscheidung ist das Pfund gegen den Euro abgestürzt und wird bis zum geplanten Vorverkaufsstart im Januar weitere 10% abgewertet taxiert. Da aber außer Hallenmieten, Hotels und Verpflegung in Euro kalkuliert werden muss, reichen die knapp kalkulierten Ticket-Einnahmen hinten und vorne nicht mehr. Deshalb steht das ambitionierte Projekt jetzt vor dem Aus.

Niemand bedauert das mehr als Heinz, der nach anfänglicher Ungläubigkeit den Vorschlag aus dem Hause MAWI begierig aufsaugte und mit Leben erfüllt hatte. Vor allem die Synergie aus anglo-amerikanisch geprägter Musik mit Texten aus und über Deutschland in UK in deutscher Sprache vorzutragen, versprach hochspannende Resultate. "Lola" hätte natürlich in diesen Kontext mal gar nicht gepasst, aber Songs wie "Den Bach runtergehn", "Meine Wünsche", oder "Naherholungsgebiet" wären ein wunderbares Angebot an das vermutlich in jeder Beziehung gemischte Publikum gewesen. Zwei, drei Songs aus den Shakespeare-Bearbeitungen wären dabei gewesen, auf jeden Fall die Wiedervereinigungshymne "Lebend kriegt ihr mich nicht" und auch "Seekranke Matrosen" und "Madagaskar". Aus dem Räuberzivil-Fundus waren "Es ist Krieg", "General Lee" und "Mein Anwalt und ich" angedacht. Mit "Leg nicht auf" und "Regen in meinem Gesicht" hätten die Briten auch mal gänzlich unkitschige Lovesongs zu Gehör gebracht bekommen. Übrigens hatte Heinz auch ganz im Ernst geplant, die gewohnten Sprechtexte mitzunehmen. Die "Norwegische Romanze" wollte er übersetzen, sonst aber drei Texte in Deutsch vortragen.

Kurz vor der Brexit-Abstimmung hatte man im MAWI-Hauptquartier übrigens noch gescherzt, dass ein Austritts-Votum das Projekt schwer in Frage stellen würde, zu diesem Zeitpunkt galt der EU-Verbleib aber bereits als zu 90% gesichert, was sich an scheinbar aussagekräftigen Quotenverschiebungen der Wettanbieter am Vortag festmachte. Als der durchschnittliche Werktätige am Freitag gegen sechs Uhr erwachte, erschrak er dann aber gar heftig.

Mit der Aufgabe dieser Tournee ist natürlich auch die ohnehin geringe Hoffnung gestorben, HRK auf einem der wichtigsten internationalen Märkte zu etablieren. Ein Charteinstieg in UK hätte Signalwirkung für Skandinavien, Australien, Japan und China gehabt.
Großes Bedauern übrigens auch von Kollegen. Editors-Sänger Tom Smith, der Kunze zu seinen Einflussfaktoren zählt, schimpfte angesichts der Brexit-Entscheidung auf die "dummen Menschen in seinem dummen Land".

Ganz im Brunnen liegt das Kind aber noch nicht. Denn wenn Heinz nicht zu den Briten kommt, haben die Briten, und das bereits in zwei Monaten, immerhin die Möglichkeit, sich die einzig wahre Deutschland-Tournee in good old Germany anzusehen.

sexy-bondage-badeenteEin Gummientchen beizugesellen

Was? Schon wieder ein neues Programm.
Wir hatten 2013 KuK, mit fast überwiegend neuen Songs. 2014 die Bandtour zum "Stein vom Herzen"-Album. Und dann die Räuberzivil-Quartett-Konzerte, wo mal eben ein nagelneues Doppelalbum fast komplett aufgeführt wurde.
Drei völlig unterschiedliche Programme, nahezu ohne Schnittmengen bei den Songs, und mit komplett unterschiedlichen Bands.
Dabei reden wir jetzt nicht über parallel laufende Lesungsformate, Kinderbuchserien, Übersetzungen und publizistische Arbeiten, sondern nur über den Musiker HRK, für den man den Begriff Vielseitigkeit immer wieder neu definieren muss.

Jetzt also ein Solo-Programm. Gut, wer Heinz etwas oberflächlicher betrachtet, könnte jetzt auf die Idee kommen, der Mann setzt sich da jetzt mit einer Gitarre hin, spielt wahllos ein paar eingängige Songs, und hier weiterlesen

schellack-albumDAS ANDERE ALBUM

In der Wedemark wurde im Juni wieder sehr kreativ gearbeitet. HEINZ und Peter haben Demos für 14 neue Songs aufgenommen. Ein weiterer soll noch von Jens dazukommen, womit das Material vorläufig bereits steht.
Diesmal erarbeitete man sehr minimalistische Demos, nur Stimme mit Begleitung von Klavier oder Gitarre, also quasi HRK einstimmig. Statt wie beim Vorgänger weitgehend fertige Arrangements aufzunehmen, sollen die Bandmitglieder diesmal eine andere, raumgreifendere Art von Vorlage für eigene Ideen bekommen, mit denen sie dann nach Bremen ins Studio kommen.

Zu diesem Zweck war Peter also nun bestrebt, schlichte, aber trotzdem ausdrucksvolle und tiefe Demos aufzunehmen. Und nachdem alles sauber eingespielt war, ging es daheim ins Kellerstudio um die Sachen zu verfeinern, zu mischen, und zu ordnen.

HEINZ hatte Peter noch mit auf den Weg gegeben, dass er sehr neugierig sei, welche Reihenfolge er denn machen würde, und Peter hatte entgegnet, dass es ihm in diesem Stadium so auf die Schnelle kaum möglich sein würde, eine ausgegorene Reihenfolge vorzulegen. (Er sagt dazu, dass er für eine solche Festlegung eigentlich viel Zeit, und eine große Vertrautheit mit den Songs benötigt)

Jetzt gehört Peter zu den schöpferisch Tätigen, die während der Arbeit völlig die Zeit vergessen. Als er die ausgefeilten Arbeiten nach einigen Tagen in einer eben noch nicht final freizugebenden Reihenfolge im Ganzen auf sich wirken ließ, zeigte die Uhr vier Uhr morgens. Wohlbemerkt reden wir hier über keine HRK-only-Tätigkeit, sondern Peter erledigt ja ständig auch andere Engagements, zu dieser Zeit z.B. tagsüber bei einer Theaterproduktion in Hildesheim. Man kann also wohl von einer gewissen Übernächtigung sprechen.

Als Peter tags darauf seine Eindrücke betreffs des Arbeisergebnisses zu HEINZ durchgab, bewertete er das Resultat als auf deprimierende Weise melancholisch.

kunze nostalgie 2 neu

Nun, diese Wirkung können HEINZ seine Songs schon mal haben, erst recht wenn sie nackt und reduziert vorgetragen werden, zudem noch mitten in der Nacht. Aber hier bekam HEINZ nun doch einen Schreck, weil dieser Eindruck im Bezug auf ein nahezu komplettes Album nicht wirklich beabsichtigt war.

HEINZ hörte nun natürlich auch Probe, und stellte fest, dass er im Bezug auf die Reihenfolge tatsächlich ganz andere Vorstellungen habe. Peter baute also um, und ließ die neue Anordnung nun auch noch einmal auf sich wirken. Und tatsächlich, die Wirkung entfaltete sich nun anders. Das deprimierende Element war wie weggewischt, das Album ein völlig anderes.
Diesen Ablauf fanden nicht nur die beiden Beteiligten spannend bis faszinierend, sondern ich auch.
Würde mir das auch so gehen, dass unterschiedliche Titelanordnungen eine ganz neue Stimmung wahrnehmbar machen?

Wer ist für Reihenfolgen eigentlich zuständig? HEINZ gibt an, dass er sich früher eher selten mit der Anordnung der Songs beschäftigt hat. Und in der Tat stellt man bei genauerer Betrachtung fest, dass im Vinyl-Zeitalter, wenn es sich nicht grad um Konzeptalben handelte, vor allem Verkaufsförderung der wesentliche Indikator war. Und dafür ist das Label zuständig.
In den 70ern und 80ern war es ja noch so, dass der Vertrieb über richtige Plattenlädern lief, in denen man noch ganz klassisch Testhören konnte. Wichtig war also der erste Eindruck. Ein griffiger Opener, auf Position Zwei, spätestens Drei die Single, und erst dann die sperrigeren Sachen, die sich beim ersten Hören noch nicht erschließen.

Heute wird gestreamt und downgeloaded, es gibt Vorabbereitstellung von 30-Sekunden-Schipseln, und aus dem Zusammenhang gerissene Songs. Das Internet hat es übernommen, dem Konsumenten etwas schmackhaft zu machen. Und da hat die Reihenfolge für das Marketing nicht mehr die Bedeutung, läßt dafür aber dem Künstler mehr Raum, seine Ideen hinter der Ansammlung von Liedern deutlicher zu machen. Jedenfalls wenn er Wert darauf legt.

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Natürlich bestätigen Ausnahmen die Regel. Ein Album wie "Ausnahmezustand" mit "Der Anruf" zu beginnen, ist die perfekte Widerlegung dessen, was Verkaufsförderung will. Aber ab dem "Herz"-Album stellten wir auch bei Heinz fest, dass mit der Lürig-bedingten massenkompatibleren Produktion auch die Ummantelung angepasst wurde. Und so hörte man damit auf, den verstörensten Song an den Anfang zu setzen, und "Herz" möglicherweise mit "Väter" zu eröffnen.

Gerade bei Alben, deren Reihenfolge nicht zum Transport von übergeordneten Stimmungen gebastelt wurde, sondern um Testhörern möglichst griffig ins Album hinein zu helfen, frage ich mich heute, was hätte eine völlig anders motivierte Reihenfolge mit Alben gemacht, deren Anordnung mir immer so vertraut war, dass sie sich förmlich eingebrannt hat.
Kann man beispielsweise Supertramps etwas aus der Art geschlagene "Breakfast In America" durch Umbau der Titelfolge in die Grundstimmung der vorherigen Alben der Band versetzen, vielleicht in dem man "Child Of Vision" an den Anfang setzt? Oder hätte man den Riesenerfolg von Klaus Lage´s "Schweißperlen" verhindern können, wenn die Platte mit "Tante Lu" und "Eins, Zwei, Drei" begonnen hätte?

Aber Halt!
Das ist hier eine Kolummne auf einer HRK-Seite. Also nutze ich für mein Experiment auch Alben von HEINZ.
Und ich schnell fest, dass es mir bei meinen ersten Versuchen nicht wirklich gelingt, ein Album durch Titelumbau dazu zu bringen, das es anders zu mir spricht. "Eine Form von Gewalt", Brille", auch "Richter-Skala" wiederstehen dem ganz entschieden. Den vierten Versuch unternehme ich mit einem Album, dass mir immer schon etwas zerrissen und unsortiert vorkam. Ich baue also "Protest" um. Und zwar wie folgt: DAGEGEN/ ASTRONAUT IN BAGDAD/ ABER MENSCHEN/ ELIXIER / REGEN IN MEINEM GESICHT/ SELBST IST DIE ZERSTÖRUNG / MÖGLICH/ FREI ZU SEIN/ WARUM?/ SIE GEHT VORBEI/ DU BIST SO SÜß/ AUF EINEM ANDEREN STERN / EIN BESONDRER TAG/ EINMAL NOCH UND IMMER WIEDER/ LÄNGERE TAGE

Und ja, auch wenn es natürlich eine völlig bescheuerte Idee ist, die beiden Singles nach ganz hinten zu schieben, klingt das Album jetzt mehr nach seinem Titel als zuvor. Allerdings war das jetzt auch kein Kunstgriff. Eigentlich habe ich nur die Songs, die für mich deutlich mehr Reibung haben, in der ersten Hälfte konzentriert, und damit zwangsläufig dafür gesorgt, dass die zweite Hälfte nun die Spannung nicht mehr hält. Also eigentlich auch hier kein Erfolg für mein Experiment.

Ich stelle also fest, dass es wohl kaum möglich ist, ein bereits vertrautes Album so umzusortieren, dass es sich derart neu ausrichtet, wie HEINZ und Peter das erlebt haben.

Aber ein Chance bleibt. Und zwar uns allen. Nämlich die neuen Songs, wenn es sie gibt, in der gelieferten Reihenfolge zu hören, und dann, bevor sie uns vertraut sind, umzubauen.
Vielleicht veraten uns HEINZ und Peter dann sogar, wie man die deprimierende Melancholie herstellt. Ich nehme das mal auf Wiedervorlage für Anfang 2016.
Wer macht mit?

Hier gehts in Forum  AUSBLICK  auf das kommende HRK & Verstärkung Album.

So sehen wir ihn am siebten Tag

Es ist ein erstaunlicher Zufall, dass die beiden, mit hoher Wahrscheinlichkeit interessantesten Neuveröffentlichungen dieses Jahres, an ein und dem selben Tag erscheinen. Und wenn man mir "Tiefenschärfe" nicht bereits vorab zugänglich gemacht hätte, wäre das ein chaotisches Wochenende gewesen.

"Tiefenschärfe" habe ich ja an anderer Stelle ausführlich gewürdigt. Dass ich das nun mit dem anderen Album auch machen möchte, mag an diesem Ort zunächst verwundern. Aber nur kurz. Es gibt nämlich einen ganz dicken Querverweis zu einem der für mich eindrucksvollsten HRK-Songs überhaupt.
Es geht um Steven Wilson´s neue Platte "Hand. Cannot. Erase." und es geht um "Das Ultimatum". Obwohl man davon ausgehen darf, dass Wilson "Das Ultimatum" sicher nicht kennt, hat er eine Art Übersetzung in die Zeit der neuen Medien gefertigt, und das auf Albumlänge.

DreamsOfALife3Impulsgeber für das Meisterwerk über eigenverantwortliche Entfremdung und Ausgrenzung, dass sich möglicherweise mit größerer Berechtigung als je zuvor ein Album als Konzeptalbum präsentiert, war eine Doku der BBC mit Namen "Dreams Of A Life", in der versucht wurde, das Leben und Sterben der Joyce Carol Vincent darzustellen. Eine ursprünglich lebenslustige und beliebte Enddreißigerin mit zahlreichen Freunden, Kollegen, Bekannten und Verwandten. Eine Frau aber auch, die über 2 Jahre tot in ihrer Wohnung lag, ohne vermisst zu werden. Der Gerichtsvollzieher hatte wegen Mietrückständen das Appartment aufbrechen lassen. Den Tod fand sie zwar nicht durch Suizid, sondern vermutlich durch einen Asthmaanfall (die Obduktion gestaltete sich extrem schwierig, zumal die Heizung in der Wohnung all die Zeit aufgedreht war), aber von einem "Ultimatum an die Welt" wie es bei HRK heißt, kann man hier auch sprechen.

Wilson erzählt die Geschichte nun allerdings nicht nach. Ihn beschäftig vor allem der Weg in diese selbstgewählte Isolation, die lange vor dem Tod von der Frau Besitz ergriffen hatte. Der Tod kommt bei ihm nicht vor. Vielmehr beschreibt es die Auslöschung eines Menschen, der immer ein bißchen mehr verschwindet. Und das skizziert HRK im "Ultimatum" ja durchaus auch, und verdeutlicht es mit einer einigermaßen erschütternden "Zurücknahme der Schöpfungsgeschichte" (die nicht nur als Idee einzigartig sein dürfte, sondern auch in der Ausgestaltung unfassbar anschaulich und schlüssig dargeboten wird. Eben eigentlich auch als komplettes Konzeptalbum in nur fünf Minuten).

Während man hier aufgrund der Erzählform immerhin noch ein wenig auf Distanz gehen kann (so sehen wir ihn am zweiten Tag...), wählt Wilson die Ich-Form, und bindet sie in eine musikalische Umsetzung solcher Dichte ein, dass dem Hörer fortlaufend der Atem stockt. Man fährt quasi auf einer Achterbahn, die keine Runden beschreibt, sondern auf einem toten Gleis ins Nichts führt.

Mich hat HRK´s "Ultimatum" eigentlich seit jeher beschäftigt. Ich spiele den Song auch sehr gern selbst, wobei ich irgendwann darauf verfallen bin, dem Song mit von Strophe zu Strophe aggressiveren Gitarreneffekten Dramatik einzuflößen (mein dilettantisches Gitarrenspiel tut sein Übriges), um die siebte Strophe dann betont locker und leicht vorzutragen, was denn abrupten Schluss betont..
QEDTrotzdem fehlte mir immer die Vorgeschichte, was diesen Typen denn veranlaßt haben könnte, sich dieser Konsequenz zu stellen. Dass er sie schließlich auch zieht, kann man ahnen, denn der frühe HRK hatte nicht unbedingt ein Faible für Happy Ends.
Vermutlich gibt es diese Vorgeschichte gar nicht, da es sich ja letztlich um ein Experiment handelt. Aber so schräg und abwegig, wie mir die Erzählung als Siebzehnjährigem zunächst vorkam, ist sie sicher nicht.

Wilson liefert nicht nur eine Vorgeschichte, er führt sie uns unaufdringlich, aber auch haarsträbend nah vor Augen, sodass wir uns selbst in diesem Tunnel wiederfinden. Ein Tunnel voller Reizüberflutung. Sogenannte soziale Medien, Smartphones, die längst die Macht über uns erlangt haben, Unterschichten-TV, Scripted Reality, legale und illegale Drogen, Scheinwelten, die Spaßgesellschaft mit verordnetem Spaß. Mitten im Album kommt man plötzlich auf die Idee, DER MEINT MICH.

Es mag tatsächlich wie eine Übersetzung des HRK-Anliegens in eine andere Zeit wirken. Wie eine inspirierte Fortsetzung, ein Update.
Der unaufhaltsamen Weg in die Katastrophe, nur mit anderen Mitteln. Beide skizzieren einen zunehmenden Kontrollverlust. Bei HRK vor allem körperlich ("zum Lesen sind die Augen viel zu wund"), aber natürlich auch in aufkommender Verzweiflung, bei Wilson in Form von Realitärsverlust, Desinteresse und Selbstaufgabe.

Schließlich weist auch noch das Schlußkapitel Parallelen auf, obwohl sich hier die Wege getrennt haben. Ein letztes Aufbäumen geht der unvermeidlichen Konsequenz voraus. Bei HRK anschaulich und prägnant, bei Wilson mit der letzten Zeile eines Briefes an den Bruder, in dem es heißt "So I´ll Finished This Tomorrow".

Wilson ist ein Perfektionist. Obwohl ein absoluter Workaholic mit zahllosen Projekten, und von Bands wie Yes, King Crimson, Jethro Tull, aber auch 80er-Größen wie Tears for Fears oder Simple Minds fast im Akkord gebuchtes Mastering-Genie für Reissues, hat er für diese Produktion mehr Zeit investiert, als sonst für fünf Alben zusammen, weil er die totale Kontrolle haben wollte. So ist zusammen mit seinem langjährig zuarbeitenden Fotokünstler Lasse Hoile auch eine schwere Buch-Edition entstanden, die die Story großartig bebildert. Wem die 80 Euro zu viel sind, der bekommt diese Bilder auch wenn er den 5.1-Mix auf der DVD-Edition visuell verfolgt.

Notizen zur Einordnung in Wilsons Gesamtwerk spare ich mir hier. Wer das vertiefen möchte, findet im Netz Material für viele Wochen. HCE ist nicht nur in vielerlei Beziehung ein Meilenstein, es haben sogar ungewöhnlich viele Menschen (jedenfalls für dieses Genre) mitbekommen. Die Tour war sehr schnell ausverkauft, sodass es im Winter eine Fortsetzung gibt (u.a. im Haus Auensee)... zur Spottlight-Seite im Forum

So, das war nun also endlich die #50. Damit schließt die Kolummne aber nicht etwa. Die Zeiträume zwischen den Veröffentlichungen werden lediglich noch etwas unberechenbarer.

Bis bald...

 

 

dank kunzeWenn man aus dem Südniedersächsischen Richtung Sibirien fährt, kommt man je nach Routenplanung möglicherweise durch den Grossraum Leipzig. Und wenn man in Sibirien niemanden besuchen wollte, sondern nur mal die sibirische Kälte erleben, dann kann man auch gleich in Leipzig bleiben.
Tourstart am Auensee, weiterlesen