In der Wedemark wurde im Juni wieder sehr kreativ gearbeitet. HEINZ und Peter haben Demos für 14 neue Songs aufgenommen. Ein weiterer soll noch von Jens dazukommen, womit das Material vorläufig bereits steht.
Diesmal erarbeitete man sehr minimalistische Demos, nur Stimme mit Begleitung von Klavier oder Gitarre, also quasi HRK einstimmig. Statt wie beim Vorgänger weitgehend fertige Arrangements aufzunehmen, sollen die Bandmitglieder diesmal eine andere, raumgreifendere Art von Vorlage für eigene Ideen bekommen, mit denen sie dann nach Bremen ins Studio kommen.
Zu diesem Zweck war Peter also nun bestrebt, schlichte, aber trotzdem ausdrucksvolle und tiefe Demos aufzunehmen. Und nachdem alles sauber eingespielt war, ging es daheim ins Kellerstudio um die Sachen zu verfeinern, zu mischen, und zu ordnen.
HEINZ hatte Peter noch mit auf den Weg gegeben, dass er sehr neugierig sei, welche Reihenfolge er denn machen würde, und Peter hatte entgegnet, dass es ihm in diesem Stadium so auf die Schnelle kaum möglich sein würde, eine ausgegorene Reihenfolge vorzulegen. (Er sagt dazu, dass er für eine solche Festlegung eigentlich viel Zeit, und eine große Vertrautheit mit den Songs benötigt)
Jetzt gehört Peter zu den schöpferisch Tätigen, die während der Arbeit völlig die Zeit vergessen. Als er die ausgefeilten Arbeiten nach einigen Tagen in einer eben noch nicht final freizugebenden Reihenfolge im Ganzen auf sich wirken ließ, zeigte die Uhr vier Uhr morgens. Wohlbemerkt reden wir hier über keine HRK-only-Tätigkeit, sondern Peter erledigt ja ständig auch andere Engagements, zu dieser Zeit z.B. tagsüber bei einer Theaterproduktion in Hildesheim. Man kann also wohl von einer gewissen Übernächtigung sprechen.
Als Peter tags darauf seine Eindrücke betreffs des Arbeisergebnisses zu HEINZ durchgab, bewertete er das Resultat als auf deprimierende Weise melancholisch.
Nun, diese Wirkung können HEINZ seine Songs schon mal haben, erst recht wenn sie nackt und reduziert vorgetragen werden, zudem noch mitten in der Nacht. Aber hier bekam HEINZ nun doch einen Schreck, weil dieser Eindruck im Bezug auf ein nahezu komplettes Album nicht wirklich beabsichtigt war.
HEINZ hörte nun natürlich auch Probe, und stellte fest, dass er im Bezug auf die Reihenfolge tatsächlich ganz andere Vorstellungen habe. Peter baute also um, und ließ die neue Anordnung nun auch noch einmal auf sich wirken. Und tatsächlich, die Wirkung entfaltete sich nun anders. Das deprimierende Element war wie weggewischt, das Album ein völlig anderes.
Diesen Ablauf fanden nicht nur die beiden Beteiligten spannend bis faszinierend, sondern ich auch.
Würde mir das auch so gehen, dass unterschiedliche Titelanordnungen eine ganz neue Stimmung wahrnehmbar machen?
Wer ist für Reihenfolgen eigentlich zuständig? HEINZ gibt an, dass er sich früher eher selten mit der Anordnung der Songs beschäftigt hat. Und in der Tat stellt man bei genauerer Betrachtung fest, dass im Vinyl-Zeitalter, wenn es sich nicht grad um Konzeptalben handelte, vor allem Verkaufsförderung der wesentliche Indikator war. Und dafür ist das Label zuständig.
In den 70ern und 80ern war es ja noch so, dass der Vertrieb über richtige Plattenlädern lief, in denen man noch ganz klassisch Testhören konnte. Wichtig war also der erste Eindruck. Ein griffiger Opener, auf Position Zwei, spätestens Drei die Single, und erst dann die sperrigeren Sachen, die sich beim ersten Hören noch nicht erschließen.
Heute wird gestreamt und downgeloaded, es gibt Vorabbereitstellung von 30-Sekunden-Schipseln, und aus dem Zusammenhang gerissene Songs. Das Internet hat es übernommen, dem Konsumenten etwas schmackhaft zu machen. Und da hat die Reihenfolge für das Marketing nicht mehr die Bedeutung, läßt dafür aber dem Künstler mehr Raum, seine Ideen hinter der Ansammlung von Liedern deutlicher zu machen. Jedenfalls wenn er Wert darauf legt.
Natürlich bestätigen Ausnahmen die Regel. Ein Album wie "Ausnahmezustand" mit "Der Anruf" zu beginnen, ist die perfekte Widerlegung dessen, was Verkaufsförderung will. Aber ab dem "Herz"-Album stellten wir auch bei Heinz fest, dass mit der Lürig-bedingten massenkompatibleren Produktion auch die Ummantelung angepasst wurde. Und so hörte man damit auf, den verstörensten Song an den Anfang zu setzen, und "Herz" möglicherweise mit "Väter" zu eröffnen.
Gerade bei Alben, deren Reihenfolge nicht zum Transport von übergeordneten Stimmungen gebastelt wurde, sondern um Testhörern möglichst griffig ins Album hinein zu helfen, frage ich mich heute, was hätte eine völlig anders motivierte Reihenfolge mit Alben gemacht, deren Anordnung mir immer so vertraut war, dass sie sich förmlich eingebrannt hat.
Kann man beispielsweise Supertramps etwas aus der Art geschlagene "Breakfast In America" durch Umbau der Titelfolge in die Grundstimmung der vorherigen Alben der Band versetzen, vielleicht in dem man "Child Of Vision" an den Anfang setzt? Oder hätte man den Riesenerfolg von Klaus Lage´s "Schweißperlen" verhindern können, wenn die Platte mit "Tante Lu" und "Eins, Zwei, Drei" begonnen hätte?
Aber Halt!
Das ist hier eine Kolummne auf einer HRK-Seite. Also nutze ich für mein Experiment auch Alben von HEINZ.
Und ich schnell fest, dass es mir bei meinen ersten Versuchen nicht wirklich gelingt, ein Album durch Titelumbau dazu zu bringen, das es anders zu mir spricht. "Eine Form von Gewalt", Brille", auch "Richter-Skala" wiederstehen dem ganz entschieden. Den vierten Versuch unternehme ich mit einem Album, dass mir immer schon etwas zerrissen und unsortiert vorkam. Ich baue also "Protest" um. Und zwar wie folgt: DAGEGEN/ ASTRONAUT IN BAGDAD/ ABER MENSCHEN/ ELIXIER / REGEN IN MEINEM GESICHT/ SELBST IST DIE ZERSTÖRUNG / MÖGLICH/ FREI ZU SEIN/ WARUM?/ SIE GEHT VORBEI/ DU BIST SO SÜß/ AUF EINEM ANDEREN STERN / EIN BESONDRER TAG/ EINMAL NOCH UND IMMER WIEDER/ LÄNGERE TAGE
Und ja, auch wenn es natürlich eine völlig bescheuerte Idee ist, die beiden Singles nach ganz hinten zu schieben, klingt das Album jetzt mehr nach seinem Titel als zuvor. Allerdings war das jetzt auch kein Kunstgriff. Eigentlich habe ich nur die Songs, die für mich deutlich mehr Reibung haben, in der ersten Hälfte konzentriert, und damit zwangsläufig dafür gesorgt, dass die zweite Hälfte nun die Spannung nicht mehr hält. Also eigentlich auch hier kein Erfolg für mein Experiment.
Ich stelle also fest, dass es wohl kaum möglich ist, ein bereits vertrautes Album so umzusortieren, dass es sich derart neu ausrichtet, wie HEINZ und Peter das erlebt haben.
Aber ein Chance bleibt. Und zwar uns allen. Nämlich die neuen Songs, wenn es sie gibt, in der gelieferten Reihenfolge zu hören, und dann, bevor sie uns vertraut sind, umzubauen.
Vielleicht veraten uns HEINZ und Peter dann sogar, wie man die deprimierende Melancholie herstellt. Ich nehme das mal auf Wiedervorlage für Anfang 2016.
Wer macht mit?
Hier gehts in Forum AUSBLICK auf das kommende HRK & Verstärkung Album.